Dienstag, 7. Februar 2012

Wir brauchen langen Atem

Hans-Christian Friedrichs aus Reppenstedt ist neuer Sprecher des Dachverbandes der Bürgerinitiativen gegen die Autobahn 39. Die Regionalausgabe Lüneburg des Hamburger Abendblattes sprach mit ihm über die Ziele und die Erfolgsaussichten der Bürgerinitiativen in der Auseinandersetzung um die geplante A 39.

Hamburger Abendblatt: Auf den ersten Blick scheint es, als habe der Widerstand gegen die geplante Autobahn zwischen Lüneburg und Wolfsburg in der Bevölkerung abgenommen. Das Thema A 39 ist weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden.

Hans-Christian Friedrichs
Hans-Christian Friedrichs
Hans-Christian Friedrichs: Das sehe ich etwas anders. Anfangs gab es viele potenziell Betroffene, schließlich existierten zunächst zwei Vorschläge für eine Trassenführung der A 39 durch die Region. Inzwischen haben die Behörden sich auf eine Trasse östlich von Lüneburg festgelegt, deswegen ist die Zahl der Betroffenen gesunken. Bei den direkt von der Planung Betroffenen hat der Widerstand gegen das Projekt aber überhaupt nicht nachgelassen.

Rechnen Sie angesichts der knappen Kassen beim Bund überhaupt mit einer Umsetzung des Projekts? Das Bundesverkehrsministerium hat die Mittel für den Straßenausbau in den kommenden fünf Jahren gestrichen.

Friedrichs: Richtig, es gibt einen Entwurf im Bundesverkehrsministerium, der dies vorsieht. Allerdings wird die A 39 möglicherweise dennoch profitieren. Demnächst sollen Mittel für die ersten 13 Autobahnkilometer bei Wolfsburg genehmigt werden. Ich vermute, dass die Behörden hier eine Salamitaktik verfolgen. Sie beginnen mit dem Projekt dort, wo am wenigsten Widerstand in der Bevölkerung erwartet wird. Bis das Vorhaben weiter im Norden, beispielsweise in Bienenbüttel, Planungsreife erreicht, vergehen ohnehin weitere fünf Jahre. Über diesen Zeitraum hinaus wirkt der Planungsstopp des Ministeriums überhaupt nicht. Wir brauchen als Autobahngegner einen langen Atem. Auch gegen den Bau der A 49 in Hessen gibt es heftigen Widerstand. Dennoch frisst sich die Autobahn langsam durch das Land.

Dabei hat das Ministerium doch gerade verkündet, Straßenerhaltung sei derzeit wichtiger als der Neubau.

Friedrichs: Ich hoffe, dass diese Erkenntnis sich irgendwann auch auf Dauer durchsetzt, zumal die Kosten der geplanten A 39 hoch sein werden, ihr Nutzen dagegen denkbar gering. Drei Milliarden Euro an Kosten für die gesamte Strecke, 30 Millionen Euro pro Autobahnkilometer inklusive aller Folgelasten wie zum Beispiel Prozesskosten. Sogar der CDU-Wirtschaftsrat veranschlagte bereits 2007 durchschnittlich 26,8 Millionen Euro Erstellungskosten pro Autobahnkilometer. Da kann der Nutzen einer solchen Trasse niemals mithalten, es ist eine reine Verschwendung von Steuergeldern. Es gibt auch keine positiven Auswirkungen auf den ländlichen Raum. Eine Bundesautobahn bringt keine Neuansiedlung von Unternehmen. Die Betriebe verlagern nur ihren Standort, um dichter an die Autobahn heranzukommen. Kleinere Betriebe in der Fläche machen dagegen dicht, das heißt, auf dem Land geht Infrastruktur verloren.

Der Dachverband geht davon aus, dass die A 39 auch deshalb nicht gebraucht werde, weil der Verkehr auf der besonders belasteten Bundesstraße 4 insgesamt gesunken sei.

Friedrichs: Die Zahlen, die das belegen, kommen von der Bundesanstalt für Straßenwesen. Sie hat das Verkehrsaufkommen gezählt. Danach hat der Schwerlastverkehr im Zeitraum von 2005 bis zum Jahr 2010 im Schnitt um 30 Prozent nachgelassen. Der Individualverkehr zwischen Lüneburg und Uelzen ist um fünf Prozent gesunken. Meiner Ansicht nach haben Maßnahmen wie die Sperrung der Bundesstraße 4 für den Transit-Schwerlastverkehr gegriffen. Das beweist, dass eine Lenkung des besonders belastenden Lkw- Verkehrs auch ohne den Bau einer neuen Autobahn möglich ist. Und wo ist der Schwerlastverkehr geblieben? Die Zahl der Transporte auf der Straße ist nicht signifikant gesunken.

Friedrichs: In jedem Fall haben die Bahntransporte stark zugenommen, das belegen die Zahlen der Bahn. Wir müssen uns entschließen, Warenströme in Zukunft grundsätzlich anders zu lenken. Die Vermeidung von Verkehr muss im Mittelpunkt unserer Konzepte stehen. Was das anbelangt, gibt es noch viel Potenzial.

Auch Güterverkehr auf der Schiene kann die Anwohner mit Lärm belasten. Gegen große Bauvorhaben der Bahn gibt es deshalb ebenfalls massiven Widerstand.

Friedrichs: Der Transport auf dem Schienenweg ist deshalb auch nur dort eine Alternative, wo die Bahnstrecke durch bevölkerungsarme Gegenden führt, wie zum Beispiel bei der Wendland- Bahn. Im Übrigen sollte der Ausbau des Schienennetzes natürlich mit passivem Lärmschutz und den Lärm dämmenden Maßnahmen an den Güterzügen erfolgen.

In Lüneburg gibt es unter den Bewohnern der Stadtteile Moorfeld und Lüne eine lebhafte Diskussion um den Bau eines Tunnels über die A 39 in Höhe des Stadtteils Moorfeld. Die Anwohner wünschen sich diese Schutzmaßnahme dringend, aber sie wäre teuer. Wird der Tunnel Ihrer Meinung nach gebaut?

Friedrichs: Der Dachverband der Bürgerinitiativen gegen die A 39 ist bedingungslos für den Bau dieses Tunnels. Die Anwohner haben Lärmschutz verdient, er ist dringend erforderlich. Dafür brauchen wir die A 39 aber absolut nicht. Natürlich sind die Kosten ein Problem. Wie man in Hamburg an dem schon lange diskutierten Deckel für die Autobahn 7 sieht, sind die Kosten bei solchen Projekt ein echter Hinderungsgrund. Quelle: Hamburger Abendblatt


Kommentar der Redaktion:
Hans-Christian Friedrichs ist hauptberuflich als selbstständiger ITBerater tätig. Er ist verheiratet und lebt seit acht Jahren in Reppenstedt, Landkreis Lüneburg. Zum Thema Verkehrspolitik fand Friedrichs über den Umweltverein Gellersen, dessen erster Vorsitzender er noch immer ist. Vorübergehend engagierte er sich bei den Grünen, für die er auch Samtgemeinderat Gellersen saß. Friedrichs ist zudem stellvertretender Landesvorsitzender für die niedersächsische Sektion des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). An der Seite von Annette Niemann übernahm er vor Kurzem außerdem das Amt des Sprechers im Dachverband der Bürgerinitiativen gegen die A 39.