Montag, 12. September 2011

Erneute Diskussion über A 39

Erst reparieren, dann neu bauen. Mit dieser Marschroute verschieben sich für den nächsten Investitionsrahmenplan des Bundesverkehrsministeriums angesichts knapper Kassen die Prioritäten. Damit befeuert das Ministerium in Berlin aber auch die Diskussion in Lüneburg über zwei umstrittene Projekte der Region: die Y-Trasse der Bahn und die Autobahn 39.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet, in einem Entwurf des Rahmenplans bis 2015 sei die Y-Trasse, die die Bahnstrecke Hannover-Hamburg entlasten soll, nicht mehr aufgeführt.

Die Gegner der geplanten Autobahn Lüneburg-Wolfsburg folgern und frohlocken schon. "Der Rahmenplan ist auch für die A 39 ein Begräbnis 1. Klasse", sagt der Grüne Andreas Meihsies. Und je länger das Projekt geschoben werde, desto unwahrscheinlicher sei es.

Im Bundesverkehrsministerium widerspricht Sprecher Ingo Strater: "Es geht um einen hausinternen Arbeitsentwurf, die Inhalte können sich ändern. Zu Einzelprojekten können wir da noch gar nichts sagen." Verkehrsminister Peter Ramsauer und Staatssekretär Enak Ferlemann kennen den Entwurf wohl noch gar nicht. Grundsätzlich, sagt Strater, "haben wir in der Vergangenheit zu wenig Straßen repariert. Das Budget für den Erhalt wird aufgestockt, das schmälert den Ansatz für Neubauten". Immerhin geht es um 53 000 Kilometer Bundesfernstraßen. Sollten sich angesichts des Spardiktats nicht andere Finanzierungswege finden wie Maut oder private Investoren, "müssen wir bei der Auswahl neuer Projekte genau auf die Wirtschaftlichkeit schauen".

Und da steht für die Kritiker die Autobahn 39 mit einem schlechten Kosten-Nutzen-Faktor auf der Streichliste. Als "vorläufiges und vermutlich auch endgültiges Ende der A 39" wertet schon der Landesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) die Streichung großer Bauprojekte. Die Gegner hätten schon lange auf die massive Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplans, den aufgestauten Reparaturbedarf hingewiesen. Und solange unter anderem die A 39-Planung nicht beendet werde, gehe der Protest "schwungvoll weiter", sagt der LBU-Ostheide-Sprecher Günter Schäfers, der sich für mehr Personennahverkehr, den Ausbau der B 4 und Ortsumgehungen einsetzt.

Doch der Bundestagsabgeordnete Eckhard Pols (CDU) versichert: "Die A 39 ist ein fest positioniertes Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan." Das hatte jüngst Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium, beim Besuch in der Region bestätigt. Und Ferlemanns Referent Wolf-Rüdiger Bienert lässt von Ferlemann ausrichten: "Der Staatssekretär hat nichts zurückzunehmen." Pols glaubt, "2013 wird der Bund die Autobahn voraussichtlich bauen".

Gleichwohl sei er sich mit anderen CDU-Bundestagsabgeordneten aus Norddeutschland, die sich zu einem Küstenkreis zusammengeschlossen haben, einig: Für Verkehrsprojekte, die im Bundesverkehrswegeplan stehen, müssten eine Milliarde Euro mehr eingestellt werden.
Dass es bei der Y-Trasse Schwierigkeiten gebe, ist Pols nicht neu. "Natürlich ist die Trasse wichtig, besonders für den Güterverkehr." Doch es mangle eben an der Finanzierung.

Seine SPD-Bundestagskollegin Kirsten Lühmann aus Celle, für die Region zuständig, kontert: "Nach langem Hin und Her knickt Bundesverkehrsminister Ramsauer endlich vor der Wahrheit ein und gibt zu, dass es bis 2015 definitiv kein Geld für neue Infrastrukturprojekte geben wird. Wichtige Projekte wie die Y-Trasse oder die A 39, die im Norden Engpässe auflösen sollten, werden aufgeschoben." Dem Minister fehlten in den kommenden fünf Jahren allein für die Bundesfernstraßen über zehn Milliarden Euro. Bis 2015 solle keine einzige Bundesstraße neu gebaut werden. Im zitierten Entwurf heiße es, dass es angesichts begrenzter Mittel "in den nächsten Jahren grundsätzlich keine Neubeginne" geben werde. Also komme es in den nächsten drei Jahren zu keinem ersten Spatenstich: weder für die A 39, noch für die A 20, noch für irgendeine Ortsumgehung oder Bahntrasse, vermutet Lühmann.

Die BI Lüne-Moorfeld, die gegen den A 39-Bau ist, fühlt sich bestätigt. "Wir haben schon seit langem gesagt, dass das Geld fehlt", sagt BI-Sprecher Dr. Frank Kracht. "Ich habe jubiliert, als ich heute Morgen von der Nachricht gehört habe." Die Kalkulation der Behörden sei viel zu niedrig, in der von rund vier Millionen Euro pro gebautem Autobahnkilometer ausgegangen werde. Kracht und andere halten eher 26 Millionen Euro für realistisch, "wenn man Planungskosten und Lärmschutz mit einbezieht". Kracht rechnet allerdings nicht damit, dass die Pläne sang- und klanglos zu den Akten gelegt werden, sondern dass Fürsprecher der Autobahn weiterhin für die Trasse mobil machen.
In Lüneburg ist die politische Mehrheit bisher für den Autobahnbau. Doch die Bedingung ist auch, dass ein viele Millionen Euro teurer Deckel - eine Art Tunnel - auf die Strecke zwischen den Abfahrten Adendorf und Moorfeld gelegt wird.

Oberbürgermeister Ulrich Mädge sieht die Sachlage so: "Ich bin froh, dass die A 39 nicht zur Debatte steht. Wir brauchen die A 39, und zwar mit Deckel in Lüneburg-Moorfeld."

Zur Y-Trasse sagt Mädge: "Die Zeit für solche Milliardenprojekte ist vorbei. Das hat sich schon länger abgezeichnet." Die Trasse müsse aber zumindest für den Güterverkehr ausgebaut werden, "dafür sind nicht so hohe Investitionen erforderlich. Ich gehe weiter davon aus, dass norddeutsche Verkehrsprojekte Vorrang haben. Hier gibt es einen deutlichen Stau aufzuholen, der noch aus Zeiten rührt, in denen Deutschland geteilt war. Außerdem brauchen wir dringend eine funktionstüchtige Infrastruktur für den Hinterlandverkehr von Hamburgs Hafen." Das könne auch ein Bundesverkehrsminister aus Süddeutschland nicht anders sehen. OB Mädge sagt: "Bei aller Diskussion um Rettungsschirme für Banken und südeuropäische Länder, darf man die überfällige Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur vor allem auch in Norddeutschland nicht vernachlässigen. Die norddeutschen Landesregierungen sind gefordert, im Bund die Prioritäten deutlich zu machen."

Die Landtags-Linke Ursula Weisser-Roelle nennt die Y-Trasse "unsinnig und mit Milliarden Euro viel zu teuer". Günstiger sei der Ausbau kleiner, leistungsfähiger Strecken für die Anbindung der Seehäfen ans Hinterland. Dazu gehöre die Strecke Stelle-Lüneburg.

Auch Landrat Manfred Nahrstedt weiß, dass die Y-Trasse längst nicht mehr erste Priorität hat, um Waren aus dem Hamburger Hafen zu bekommen. "Aber die Güter müssen aus dem Hafen, deshalb darf auch nicht an der A 39 gerüttelt werden. Und ich erwarte, dass das Schiffshebewerk mit in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird."

Es gibt massenweise Berichterstattung zu Ramsauers Streichliste. Einen Pressespiegel haben wir als PDF-Dokument (s. u.) zusammengestellt.

Quelle: Landeszeitung



Weitere Informationen:
  Pressespiegel-Erneute-Diskussion-um-A39.pdf