Lobbyismus

„Verbände neigen dazu, ihre besonderen Interessen mit dem allgemeinen Wohl gleichzusetzen. Das ist verständlich, aber wenig überzeugend." So hat es der damalige Bundespräsident Johannes Rau in einem Schreiben an den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie im Jahre 2003 formuliert. Schon in den Dreißigerjahren war geplant, die neu gegründete KdF-Stadt (das heutige Wolfsburg) nördlich anzubinden. Aktuell steht die A 39 im Mittelpunkt des Interesses. Wer die Geschichte der A 39 betrachtet, stößt schnell auf den Nordland-Autobahn-Verein. Der in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg angesiedelte Zusammenschluss von Kammern, Landkreisen, Kommunen und Unternehmen nahm 1969 seine Lobbytätigkeit auf, legte 1992 gar eine selbst finanzierte Verkehrsuntersuchung vor, in der bevorzugte Trassenvarianten genannt werden.
„Die jetzige Trassenführung entspricht der von uns bereits vor 30 Jahren entwickelten Linie der Nordland-Autobahn von Süd-Ost-Europa nach Skandinavien", fasste seinerzeit der ehemalige IHK-Hauptgeschäftsführer Jens Petersen den Entwurf zusammen.

VW ist nicht nur der größte Arbeitgeber im Land, sondern auch der stärkste Beitragszahler in der Handelskammer und durch seine Größe über zahlreiche Verknüpfungen ein starker Partner in der Landespolitik. Der Vorsitzende der IHK, der Baustoffhändler Eberhard Manzke, ist ein typischer Vertreter der Straßenbaulobby. Vorsitzender des Nordland-Autobahn-Vereins ist der aktuelle IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert. Ein Amt als IHK-Vizepräsident bekleidet Dr. Peter Dörfler, Leiter der Konzernrevision und Anti-Korruptionsbeauftragter bei VW. Ebenfalls Vizepräsident ist.

Speditionsunternehmer Hubertus Kobernuss aus Uelzen, der zudem im maßgeblichen Verkehrsausschuss der Vorsitzende ist. Sein Stellvertreter dort war lange Jahre Johannes M. Fritzen, Geschäftsführer der VW Transport GmbH (heute Volkswagen Logistics), aktuell wird dieses Amt von Wolfgang Hiller bekleidet, ein weiterer Unternehmer im Bereich Logistik und Spedition.
„Mit dem Projekt A 39/A 14 erhält vor allem auch der Wirtschaftsstandort Wolfsburg mit Volkswagen [...] endlich die notwendigen verkehrlichen Anbindungen nach Norden", konstatierte die IHK Lüneburg-Wolfsburg in einer Resolution der Vollversammlung.

Vorangetrieben wurde das Autobahnprojekt insbesondere auch durch den „Auto-Kanzler“Gerhard Schröder und den vormaligen Verkehrsminister Dr. Peter Fischer. Fischer, langjähriger Wirtschaftsdezernent der Stadt Hannover, ist zudem Vorsitzender der Initiative Pro Mobilität e.V. über diesen Verein betreibt die Mineralöl-, Automobil-, Güterverkehr-, Bau- und Betonindustrie Lobbyarbeit für neue Autobahnen. Gleichzeitig war Dr. Fischer Aufsichtsratsmitglied bei VW und Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz der Länder.
Nachdem die Sinnhaftigkeit der A 39 von der öffentlich beauftragten Verkehrsuntersuchung Nordost (VUNO) 1995 und 2002 verneint wurde, torpedierte die Autobahnlobby zunächst recht durchsichtig die Untersuchungsmethoden. Seither wird auf belegte Fakten ganz verzichtet und mit dem Totschlagargument „Arbeitsplätze“missioniert.